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Sa., 4. Januar 3000

Was nach und vor der Natur wie neu ist und das Gesellschaftliche - – — regnum hominis (Bacon's Technooptimism, > Fr., 2. Mai 3000 - The New Atlantis <tagged>): eine Trialektik von Natur und Gesellschaft und Technik: Mensch-Mensch, Mensch-Natur und Mensch-Technik

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[ ] = Matze Schmidt

Wolfgang Hofkirchner. "Homo creator in einem schöpferischen Universum: Zur Bestimmung von "Natur" und "Gesellschaft" als korrelative Kategorien auf der
Grundlage des Paradigmas der Selbstorganisation unter besonderer Berücksichtigung ihrer politischen Implikationen". http://igw.tuwien.ac.at/igw/menschen/hofkirchner/papers/TA/HomoCreator_Universum/1998gw.html [03.09.2001]. Remix. Matze Schmidt, 2001.

Die korrelative Bestimmung der Begriffe „Natur“ und „Gesellschaft“ auf der Basis der
emergentistischen Denkfigur ist selbst Teil eines umfassenderen Prozesses, in dem die
Hinterfragung und Neubestimmung von Sinn und Zweck des wissenschaftlich-technischen
Fortschritts anstehen. Die Antwort, die mit der Dialektik von Natur und Gesellschaft auf die Frage
nach der wissenschaftlichen Begründung einer Naturpolitik der nachhaltigen Entwicklung gegeben
wird, kann als Teil einer Antwort auf die globale Problematik überhaupt gesehen werden und
darauf, was die Ursachen und die Inhalte der wissenschaftlichen Umbrüche der Gegenwart sind.

So wie sich Naturvernutzungspolitik und Naturschutzpolitik als zwei Extreme erwiesen haben,
jenseits derer die gangbare Alternative liegt, stellt sich die Frage der adäquaten Beantwortung der
globalen Herausforderungen ähnlich. Die zwei Pole der Naturpolitik sind die ökologisch gewendeten
Sonderfälle zweier entgegengesetzter Haltungen bezüglich der Beeinflussung der Techno-, der
Öko- und der Soziosphäre überhaupt, die beide ebenfalls fruchtlose Bemühungen zur Bewältigung
der Probleme versprechen. Gefragt ist, ob es jenseits der impraktikablen idealtypischen Alternative
der Fortsetzung des eingeschlagenen Weges oder der Umkehr einen Ausweg gibt.

Die Antwort aus dem Blickwinkel einer evolutionären Systemtheorie mit emergenzphilosophischer
Grundlage lautet Ja. Aus ihrer Sicht ist die angebotene Alternative zu eindimensional.

Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen bildet die Auffassung, daß die Kontroverse um den
Naturbegriff Moment eines umfassenderen Streits zwischen wissenschafts- und
technikoptimistischen und -pessimistischen Meinungen, zwischen Fortschrittsgläubigkeit und
-feindlichkeit, ist, und daß dieser, ungleich früheren derartigen Auseinandersetzungen in der
Geschichte der Ideen, an Tiefe gewonnen hat, nachdem historisch nacheinander unter dem
Eindruck der Atombombe, industriell-agrikultureller Verwüstungen und von Hunger, Elend und Tod in
den armen Teilen der Welt das Bewußtsein von der Zerstörungskraft und Störanfälligkeit der
menschlichen Technosphäre, von der Empfindlichkeit und Endlichkeit der menschlichen Ökosphäre
und von der Unbeständigkeit und Unausgewogenheit der menschlichen Soziosphäre gewachsen ist.

drei Analyseebenen auseinandergehalten werden: die ethische, die ontologische und
die methodologische.

Auf den ersten Blick können, idealtypisch zugespitzt, Natur und Gesellschaft in einem
ausschließenden oder in einem einschließenden Sinn definiert werden.

Duale Sicht

Bei der ersten Alternative haben die Begriffe nichts miteinander gemein. Sie sind inkompatibel, sie
existieren einfach nebeneinander und können keine Verbindung eingehen, weil sie keine
Anknüpfungspunkte haben. Diese Begriffsbestimmung ist dualistisch.

Ethisch gesehen liegt jedenfalls der Standpunkt der radikalen Anthropozentrik vor, ganz gleich, ob der
fortgesetzten rücksichtslosen Expansion und Kolonisierung der Natur das Wort geredet wird oder der
Rückzug aus der Natur, die künftige Enthaltsamkeit oder die sofortige Selbstaufgabe legitimiert werden soll.

Diesem radikal anthropozentrischen Standpunkt liegt eine Auffassung über die Seinsweise der
Designate zugrunde, die deren getrennte Existenz unterstellt. Natur und Gesellschaft sind demnach
selbständige, disjunkte Wirklichkeitsbereiche, die nicht aufeinander einwirken können. Jedem
Bereich werden andere Wirkfaktoren zugeeignet. Ontologisch gesehen wird eine Dichotomie von
Natur und Gesellschaft angenommen

Dichotomisierung

Insofern in dieser dualistischen Begriffswelt der Kultur eine Distinktion zuteil wird, die der Natur
fehlt, methodologisch, ontologisch und ethisch, möchte ich sie Kulturalismus nennen.

Hypostasierung des Unterschiedlichen

[idealisierte Projektion (Hypostasierung)]

Da gesellschaftliches Handeln in natürliche Zusammenhänge eingebunden sei, wird entweder
behauptet, daß die letzteren nach Art eines Sachzwanges Einschränkungen darstellen, die
bestimmte Anweisungen für die ersteren zur Folge haben (...) eine genuine Ökozentrik bzw.
eine anthropomorphe Ökozentrik

Die ökozentrische Ethik ist ontologisch unterlegt. Die Gesellschaft sei Teil der Natur. Als solcher sei
sie den selben Gesetzmäßigkeiten unterworfen und zeige die selben Erscheinungen, wie sie auch
sonst in der Natur anzutreffen seien. Das bedeutet eine Identität der Gesellschaft mit der Natur
durch die Reduktion des Gesellschaftlichen auf nichts als eine Unterart des Natürlichen (...)

das ist die #Hypostase der Einheit in der Natur

Gegenüber dem Kulturalismus#, der auf die Eigenständigkeit der Gesellschaft abhebt, betonen die
Reduktion wie die Projektion die Untrennbarkeit von der Natur und die unentrinnbare
Angewiesenheit auf diese, was sie entweder als Naturalismus ausweist, der alles mit
Naturgegebenheiten erklärt, oder als Anthropomorphismus kennzeichnen läßt, der menschliche
Besorgnisse in naturalem Gewand ausdrückt.

Idealtypisch zugespitzt, bewegen sich die kulturalistischen wie die naturalistischen und
anthropomorphen Varianten der Naturpolitik auf einem Kontinuum, dessen Pole Naturnutzung im
Sinne des Offenhaltens der Natur für alle beliebigen Interventionen (Vernutzung und
Verschmutzung eingeschlossen) auf der einen Seite und Naturschutz gegen jegliche anthropogenen
Eingriffe auf der anderen bilden.

Sowohl bei der dualistischen als auch bei der reduktionistischen/projektionistischen Denkfigur
handelt es sich um keine echten Korrelationen der Begriffe „Natur“ und „Gesellschaft“, sondern
entweder um deren fein säuberliche Trennung zum Zwecke der Abhebung des einen vom andern
oder um die Überführung des einen in den andern zum Zwecke ihrer Gleichsetzung.

Erst jenseits von Dualitäts- und Identitätsdenken kann ein Zueinander-in-Beziehung-Setzen der
Begriffe gelingen, das so differenziert wie möglich, aber so einheitlich wie nötig ist, um in guter
alter dialektischer Manier den Grundbegriff der Natur- und den der Gesellschaftswissenschaften in
ihrer gegenseitigen Bedingtheit auszuloten, deren Eigenständigkeit, ja Gegensätzlichkeit,
anzuerkennen und zwischen den Gegensätzen zu vermitteln, ohne sie zu eliminieren, ganz so wie
es die Transdisziplinarität vom Denken heute fordert.

Kurz, eine Emergenzphilosophie scheint mir das Mittel der Wahl, um „Natur“ und „Gesellschaft“ zu
korrelieren.

Das Gesellschaftliche hat das Natürliche zu seiner Grundlage, zu seiner Voraussetzung – keine
Gesellschaft ohne Natur, ja keine Gesellschaft ohne ihre Natur, denn diese Natur ist die Folge
dieser Gesellschaft.

Das Natürliche als das in Natur und Gesellschaft Gemeinsame allein ist abstrakt, konkret ist die
Gesellschaft als das Gesellschaftliche und das gesellschaftlich modifizierte Natürliche.

Das Wesen der Gesellschaft ist das Gesellschaftliche und nicht die Natur.

Diese Sichtweise soll, auf die Ontik angewandt, die Seinsbereiche Natur und Gesellschaft
historisch-genetisch und logisch-strukturell in einem begreifen: die Gesellschaft als das neue
Ganze, das aus der Natur auftaucht – statt Dichotomie und Identität Emergenz. Emergenz ist das
Auftauchen von Eigenschaften oder Dingen, die sich von denjenigen Eigenschaften und Dingen, aus
denen sie auftauchen, unterscheiden, gleichwohl aber nach ihrem Auftauchen mit jenen innerlich
verbunden bleiben. Die Realität wird als diachron und synchron zugleich unterstellt, (...).

Im Gegensatz zur dualistischen Ontologie, aber in Übereinstimmung mit der reduktionistischen reißt
die dialektische die Qualitäten verschiedener Entwicklungsphasen nicht auseinander, sondern läßt
das Neue aus dem Alten hervorgehen, aber entgegen Reduktionismus und Projektionismus, die das
Neue aus dem Alten herleiten wollen, als ob es in diesem schon enthalten wäre und durch
Ent-wicklung nur mehr aus diesem herausgerollt zu werden bräuchte, und dabei die Qualität des
Neuen in Abrede stellen, betont sie übereinstimmend mit dem Dualismus die eigenständige Qualität
der höheren Stufe. Sie erklärt das Alte zur notwendigen Voraussetzung des Neuen, ohne es
hinreichen zu lassen.

#Das Neue entsteht zuerst als Teil des alten Ganzen und schreitet fort bis zu einem gewissen Punkt,
an dem die Dominanz des Alten über das Neue in die Dominanz des Neuen über das Alte umschlägt
und die neue Ganzheit sich die Teile des Alten unterordnet."

#"In bezug auf Natur und Gesellschaft bedeutet dies: Die Natur bringt im Lauf ihrer Entfaltung die
Gesellschaft hervor, die Gesellschaftsgeschichte ist also zwar einerseits die Fortsetzung der
Naturgeschichte, aber andererseits die Fortsetzung auf einem anderen Niveau, und die
Gesellschaft, nachdem sie einmal entstanden ist und nach eigenen Gesetzmäßigkeiten funktioniert,
durchdringt und überformt die Natur nach ihrem Bilde, obschon sie zeit ihrer Existenz an die Natur
gebunden bleibt.#

Die Normen steuern die Handlungen, die die vergesellschaftete Natur beeinflussen, sie emergieren
jedoch im Detail unvorhersehbar – was als ein gutes und schönes Leben gewertet wird, variiert
innerhalb einer Bandbreite, die sich historisch verändert. Dieser praktische Syllogismus des Aristoteles
ist auch die einzig korrekte Form, auf das Sollen zu schließen.

Die emergentistische Denkfigur einer Dialektik Natur-Gesellschaft, die im Erkennen zwischen den
allgemeinen und den besonderen Seiten der natürlichen und gesellschaftlichen Welt vermittelt, in
der Auffassung vom Sein zwischen dem Reich der Natur und dem der Gesellschaft, im Bewerten
zwischen natürlichen Gegebenheiten und gesellschaftlichen Zielen, ist nicht nur fähig, den Sprung
von den Natur- zu den Gesellschaftswissenschaften anzustellen, sondern richtet die Naturpolitik
auch quer zur Alternative Natur(ver)nutzung (und -verschmutzung) versus Naturschutz auf die
Herstellung von Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Entwicklung von Natur und Gesellschaft
aus.

Jenseits von Fortschritt und Rückschritt

Die korrelative Bestimmung der Begriffe „Natur“ und „Gesellschaft“ auf der Basis der
emergentistischen Denkfigur ist selbst Teil eines umfassenderen Prozesses, in dem die
Hinterfragung und Neubestimmung von Sinn und Zweck des wissenschaftlich-technischen
Fortschritts anstehen. Die Antwort, die mit der Dialektik von Natur und Gesellschaft auf die Frage
nach der wissenschaftlichen Begründung einer Naturpolitik der nachhaltigen Entwicklung gegeben
wird, kann als Teil einer Antwort auf die globale Problematik überhaupt gesehen werden und
darauf, was die Ursachen und die Inhalte der wissenschaftlichen Umbrüche der Gegenwart sind.

So wie sich Naturvernutzungspolitik und Naturschutzpolitik als zwei Extreme erwiesen haben,
jenseits derer die gangbare Alternative liegt, stellt sich die Frage der adäquaten Beantwortung der
globalen Herausforderungen ähnlich. Die zwei Pole der Naturpolitik sind die ökologisch gewendeten
Sonderfälle zweier entgegengesetzter Haltungen bezüglich der Beeinflussung der Techno-, der
Öko- und der Soziosphäre überhaupt, die beide ebenfalls fruchtlose Bemühungen zur Bewältigung
der Probleme versprechen. Gefragt ist, ob es jenseits der impraktikablen idealtypischen Alternative
der Fortsetzung des eingeschlagenen Weges oder der Umkehr einen Ausweg gibt.

Die Antwort aus dem Blickwinkel einer evolutionären Systemtheorie mit emergenzphilosophischer
Grundlage lautet Ja. Aus ihrer Sicht ist die angebotene Alternative zu eindimensional.

Die Argumentation für eine Fortsetzung des eingeschlagenen Weges kann nicht plausibel machen,
wie ein bloßes Mehr an Wissenschaft und Technik unter Beibehaltung der gegenwärtigen
ökonomischen Triebfedern und politischen Rahmenbedingungen eine qualitativ veränderte Situation
heraufführen könnte, wenn die jetzige Lage bereits einer geringeren Quantität derselben
Entwicklung geschuldet ist. In dieser konservativen Variante wird die Kontinuität verabsolutiert und
die Notwendigkeit oder Möglichkeit eines Qualitätssprungs geleugnet. Es handelt sich der Denkfigur
nach um Reduktion bzw. Projektion. Entweder wird die Lösung der globalen Probleme als etwas
angesehen, womit im Rahmen der Moderne zu Rande gekommen werden kann, ohne daß es
irgendwelcher einschneidenden Modifikationen der zivilisatorischen Entwicklung bedürfe, oder es
wird den bestehenden Verhältnissen eine um Größenordnungen andere Problemlösungskapazität
attestiert, weil Hemmschuhe von diesen Phantasien nicht zur Kenntnis genommen werden.

Der Ruf nach einer Umkehr (...) Diese utopistisch-radikale Spielart gesellschaftspolitischer Leitlinien
verabsolutiert die Diskontinuität und leugnet die Möglichkeit oder Notwendigkeit des Fortbestehenlassens
gewisser Verläufe und Beziehungsgefüge in der gesellschaftlichen Enwicklung, sie dualisiert die schlechte
Wirklichkeit und das erwünschte Gute bis zu dem Punkt, daß eigentlich keine Handlungsmöglichkeit
mehr übrig bleibt.

Über diese beiden Alternativen hinaus geht ein Ausweg, der die Möglichkeit und die Notwendigkeit
sowohl der Diskontinuität als auch der Kontinuität der in der gesellschaftlichen eingeschlossenen
wissenschaftlich-technischen Entwicklung herausstreicht. Ein Qualitätssprung ist gefordert, der die
bisherige Qualität in ihrer Rolle als dominante Qualität beendet, aber als dominierte Qualität
beibehält und gewisse ihrer Seiten im Zuge der Durcharbeitung nach der Übernahme durch die
andere Qualität zu bewahrenswerten, weil entwicklungsfähigen, Seiten erhebt.

Eine solche Forderung drückt sich in der Formel von der Reflexion der Moderne wie des
wissenschaftlich-technischen Fortschritts aus: Die Vernunft wird nicht zu Grabe getragen, weil sie
zur instrumentellen Vernunft verkommen ist, sondern muß auf sich selbst gewendet werden. Einen
anderen Maßstab zur Kritik der Vernunft als die Vernunft selber gibt es nicht.

Exkurs: Bacons „Umarmung“ der Natur

Francis Bacon wird oft als männlicher Ahnvater der neuzeitlich-abendländischen Wissenschaft
gesehen. Seine Äußerungen verleiten gerne zur undifferenzierten Desavouierung der
Wissenschafts- und Technikentwicklung, die zur heutigen Malaise geführt habe. Ganz im Sinne
(...) [einer] Unterscheidung von Programm und Ideal möchte ich mit einigen Textstellen Bacons
illustrieren, daß sein Ideal nicht (...) verworfen zu werden braucht und seine
Aussagen zumindest nicht uneindeutig sind und eine Vereinnahmung als Sündenbock durch die
fundamentalistische Kritik fragwürdig bleibt. Revidiert werden muß das Programm.

Ich betrachte hier nacheinander Zitate, aus denen Bacons Einschätzungen des Verhältnisses
Mensch-Mensch, des Verhältnisses Mensch-Natur und des Verhältnisses Mensch-Technik
erschlossen werden können. Die Zitate entstammen allesamt seinem Werk „Weisheit der Alten“
(„De sapientia veterum“), das 1609 in lateinischer Sprache erschienen (...) ist.

Was die Verhältnisse der Menschen zur Natur betrifft, verdient festgehalten zu werden, daß Bacon
Orpheus Herkules gegenüberstellt, dessen Taten auf einen Zustand physischer Unterjochung und
gewaltsamer Befriedung der Natur hinauslaufen. Herkules nimmt Bacon in seine Allegoriensammlung
gar nicht auf. Orpheus sei dagegen „ein anbetungswürdiger und wahrhaft göttlicher Mensch und
Meister der Harmonie, der mit seinen Weisen alle überwältigte und hinriß“, und nach Bacon
„übertreffen die Werke des Orpheus diejenigen des Herkules“, so „wie die Werke der Weisheit
diejenigen der Stärke an Würde und Kraft übertreffen“ (34). Durch die „Werke der Weisheit“, wie
sie die Darbietung des Orpheus repräsentierten, ergäben sich „die Errichtung von Häusern, die
Gründung von Städten, die Bebauung von Feldern und das Anlegen von Obstgärten, so daß man
mit Recht sagen kann, Steine und Bäume hätten ihre Plätze verlassen und sich um die Menschen
versammelt“ (36), nachdem auch schon „alle Arten wilder Tiere ... ihre jeweilige Natur ablegten, all
ihren Zorn und ihre Wildheit vergaßen, nicht länger vom Stachel und der Raserei der Wollust
getrieben wurden, ... sondern sich zahm und friedlich ... um ihn (Orpheus, W.H.) versammelten“
(35).

#In der Frage des Verhältnisses der Menschen zur Technik betrachtet Bacon diese nicht nur als
Mittel der Erleichterung des täglichen Lebens, sondern als Mittel der *Annäherung an den
paradiesischen Urzustand
*, in dem die Menschen die Dinge der Natur beim Namen zu nennen gewußt
hätten, worin das *regnum hominis* bestünde.#
Bacon ist m.W. der erste Denker, der die
Notwendigkeit der Technikfolgenabschätzung und -bewertung betont, auch wenn er diese in seiner
#Utopie „Neu-Atlantis“# [> Fr., 2. Mai 3000 - The New Atlantis <tagged>] in der beschränkten Form etwa heutiger Ethikkommissionen verwirklicht
sehen will. Am Beispiel der Daedalus-Sage hebt er hervor, „die mechanischen Künste sind von
zwiespältigem Nutzen, da sie ebenso schädlich wie heilsam sind“. „Zweifellos verdankt ihnen das
menschliche Leben sehr viel... Aus derselben Quelle entspringen aber auch Instrumente der Wollust
und des Todes“, die „selbst die Grausamkeit des Minotaurus übertreffen“ (50). Für Bacon geht es
aber nicht nur um die Beachtung der Zwecke, um deretwillen Technik eingesetzt werden soll,
sondern auch um die Art und Weise, in der die Menschen mit der Technik der Natur begegnen. In
der Erzählung von Erichthonius verwendet er das Verhalten Vulcans, der Minerva nachstellte und
Gewalt antun wollte, und dessen Samen eine Gestalt mit wohlgefälligem Oberkörper, aber
mißgebildeten Beinen entsprang, als Metapher für die Beziehung der Technik zur Natur: „Wenn die
Handwerkskunst ... durch die Mißhandlung der Körper versucht, der Natur ihren Willen
aufzuzwingen, sie zu erobern und zu unterwerfen ..., erreicht sie selten das von ihr angstrebte
Ziel. Unter großem Aufwand und großen Mühen (gleichsam im Kampf) fallen jedoch verschiedene
Mißgeburten und untaugliche Werke ab, die hübsch anzusehen sind, sich im Gebrauch aber als
schwach und mangelhaft erweisen“. Weiter prangert Bacon die Gewohnheit der Menschen an, die
„lieber an ihrem Ziel festhalten, als daß sie ihre Fehler zurücknehmen“, und – so m.E. die
entscheidende Textstelle – ihre Einstellung und Herangehensweise, daß sie „eher mit der Natur
kämpfen, als daß sie ihre Umarmung mit der gebührenden Hingabe und Verehrung zu erreichen
suchen“ (51).

Literatur

Francis Bacon: Weisheit der Alten. Herausgegeben und mit einem Essay von Philipp Rippel. Fischer, Frankfurt 1990

(...)


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Last modified: Di., 08.07.2003 0:26