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Di., 4. Februar 3000

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[ ] = Matze Schmidt

"5. Das Drängen des Roboters im Unbewußten: seine symbolische Rolle zwischen Mensch und Technik

"Unsere Maschinen-Nachfahren sind ebenso unser Produkt wie unsere Kinder, und vielleicht noch mehr. Denn unsere Kinder sind nicht unsere Schöpfung. ... Wir sind nur das Medium, alle Roboter sind wirklich unsere Kinder, wenn wir sie mitgebaut haben, und wir sollten uns ihnen näher fühlen als anderen Tieren, weil wir verantwortlicher sind für sie." (Marvin Minsky)

Um der herausgehobenen Stellung des Roboters unter den Maschinen gerecht zu werden, könnte man unter Berufung auf Günther Anders den Versuch der Erstellung einer punktuellen "Dingpsychologie" oder einer "Soziologie der Dinge", die der Beziehung der Geräte zum Menschen nachgehen soll, unternehmen. Vor dem Hintergrund von Anders Theorie läßt sich die Figur des Roboter in einen Zusammenhang mit dem Phänomen fortschreitender Automatisierung stellen. #Der Roboter fügt sich in ein System von Geräten, das sogenannte Makrogerät ein und scheint nicht mehr ausschließlich dem Menschen#, sondern vor allem den Bedürfnissen anderer Geräte #zu dienen#. Diese Akkumulation von Geräten im Produktionszusammenhang beunruhigt den Menschen, da er vom körperlich- aktiven Arbeiter zum Automationsarbeiter oder Restarbeiter wird und damit zum "Objekthirten" , zum väterlichen Aufpasser einer mechanischen Belegschaft degradiert wird. Der Roboter verwandelt den "Lenker von Gestern in einen Zuschauer von Heute" (Michel de Certeau) oder mit McLuhan ausgedrückt: der Mensch wird zum Servomechanismus seiner technischen Extensionen.

Mumford behauptet, Technik könne der #Ersatz für effektive soziale Organisation# sein. Die Tatsache einer wechselseitigen Strukturierung von Menschen, Techniken, Bedürfnisse und Gegenständen, ist nicht zu leugnen, Mumfords im Hintergrund stehendes Idealbild einer sozialen Organisation, die so effektiv ist, daß sie auf Technik generell verzichten könne, erscheint problematisch. Technik hätte einen reinen Kompensationscharakter, aber nicht zur Vervollkommnung des #Mängelwesens #Mensch# im Sinne Gehlens, sondern um die #Lücken im sozialen Netz# zu #stopfen#.

Eine entscheidende Voraussetzung wird in der Diskussion über technologische Entwicklung und ihre Beziehung zum Menschen oft vernachlässigt: ~ #Technik und damit auch der Roboter sind spezifische Abbildungen menschlicher Organisationsstrukturen.# Menschliches Denken und Verhalten sind als anthropologische Grundkonstante regelhaft zur Strukturierung sozialer Komplexität. Diese im positiven Sinne "maschinisierten" Verhaltensweisen haben Entlastungsfunktion. Die Maschine ist außerdem die materielle Verkörperung von Gesetzen menschlichen Handelns und Denkens. Reale Prozesse mit relativ eindeutigen geschlossen Interaktionsmustern, die nicht durch subjektive Interpretationsakte verändert werden können wie z.B. bestimmte Rollenvorschriften, müssen der Robotisierung und Maschinisierung (z.B. der Verkehrspolizist der durch eine Ampel ersetzt wird) vorausgegangen sein. ~ #Da Maschinen formalen menschlichen Denkstrukturen entspringen, können sie also nichts der menschlichen Tätigkeit Entgegengesetztes übernehmen.#. Der Roboter als Sonderform von Maschine setzt nur Formalisierbares, als Algorithmus Formulierbares, in Tätigkeiten um. [Womit das Verhaeltnis Mensch-Maschine zu einer »genesischen« Entwicklung 'verklaert' wird, -> Golem, Frankenstein, HAL.]

#Das Hervorgehen der Maschine# aus formalem Denken und maschinisierten Handlungen und das Zurückschlagen #maschinelle#n #Strukturen# auf die #gesellschaftliche Organisation# stehen in einem #dialektischen Verhältnis#: Mit dem Hinweis auf eine Musikform der 90er dem Techno, das auf der einen Seite auf durchaus maschinell erzeugten, robotischen Strukturen aufgebaut ist, diese aber immer durch den Körper der Tanzenden aufgebrochen und transformiert werden, soll dies deutlich gemacht werden.

"Meistens haben wir uns als Fortsetzung von Blade Runner gesehen. Bloß waren wir nicht so sicher, ob wir nicht selbst Androiden sind." (Sven Väth) [Technik wird zur paradoxen Alleindifferenz, d.h. zum anthropologischen Ununterscheidbarkeitsfaktor: Mensch sei Technik, Technik aber sei unmenschlich. Wenn es eine Fortsetzung von Blade Runner gaebe bzw. von #_Do Androids dream of electric sheep_#, dann bildete sich mit einem neuen Drehbuch vielleicht die Erkenntnis heraus, dass der Protagonist und Androiden-Jaeger selbst Androide ist und Mensch-Sein als Figur eines Ideals die alte Dialektik Mensch|Technik erneuert.]

(...)

Im menschlichen Körper scheinen maschinelle Strukturen bereits angelegt zu sein, sodaß der Körper auf bestimmte maschinelle Impulse der Außenwelt durchaus positiv reagiert, weil er diese Strukturen als körpereigene wahrnimmmt."

Phantomschmerz, Phantomkoerperteil

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"Auf der anderen Seite kann die Implementierung von robotischen Strukturen auch Machtinteressen dienen. Bevor eine Maschine beherrschend über menschliches Interaktionsgeschehen werden kann, muß sich der mitwirkende Mensch schon auf maschinisiertes Verhalten eingestellt haben. Er muß in abstrakt- immateriellen Maschinengebilden, Repräsentationen der "Mikrophysik der Macht" (Foucault), funktioniert haben. Diese "abstrakten sozialen Maschinen" (Foucault) entstehen dort, wo menschliche Organisation unter dem Primat der technisch- naturwissenschaftlichen Sprache schon in maschinenähnlichen Strukturen funktioniert hat. Foucaults Beispiele sind Arbeit, Schule, Militär und Gefängnis, wo die maschinelle Zurichtung des Körpers und die Einpressung des Menschen in konkrete Zeitschemata im Vordergrund stehen .

#Gotthard Günther und Jacques Lacan kommen von unterschiedlichen theoretischen Ausgangspunkten zu dem gleichen Ergebnis: Die Entwicklung von maschinellen Strukturen und ihre materiellen Manifestationen ist eine spezifische menschliche Fähigkeit, die den Menschen auszeichnet. Das Maschinelle gehöre als anthropologische Grundkonstante zum Menschen, während ein Tier die Entwicklungsstufe der Maschine nie erreichen könne, es wäre nur eine blockierte Maschine.#

[Technik als Externalisierung des Menschlichen.]

Die Fähigkeit zur Maschinisierung körpereigener Funktionen und die Verschmelzung des Menschen mit seinen Werkzeugen wird in verschiedenen Technikphilosophien immer wieder thematisiert:

"Wenn wir uns auf ein Werkzeug oder ein Sondierinstrument verlassen, behandeln wir sie nicht als äußerliche Gegenstände ... sie bleiben auf unserer Seite, ...bilden Teile unserer selbst, der handelnden Personen."

# -> Roboter -> Text ueber tschechische Szene#

Im Produktionsalltag wird eine funktionale Abgrenzung des Automationsarbeiters zum Roboter immer schwieriger, weil der Roboter zu einer immer kompletteren #Organprojektion# im Sinne Kapps tendiert:

"... der Fortschritt der höheren Mechanik nicht nur im unbewußten Nachbilden organischer Formen besteht, als vielmehr in der Projektion des Funktionsbildes, ..."

Vor allem durch die #Telepräsenz# erhält der abstrakte Begriff der #Projektion des Menschen in ~ seine Werkzeuge# handgreifliche Realität. Die Besonderheit an diesen neuen materiellen #Prothesen# ist, daß sie sich mithilfe der Medien immer weiter vom menschlichen Körper entfernen und im Raum verstreuen können oder wie die Mikroroboter in den Körper eindringen können. Der Roboter wird zum materiellen Platzhalter oder Stellvertreter für die im Raum verstreuten Körperteile. Der Körper spaltete sich in mehrere scheinbare autonome Teile auf. In der Telepräsenz- Steuerung von Robotern bekommt Baudrillards These von der ex-zentrische Anordnung von Körperteilen und Prothesen, die nicht mehr direkt an den menschlichen Körper gebunden, einen realen Hintergrund. Der Mensch kann wie z.B. in der Telepräsenz- Installation (Ornitorrinco on the Moon) von Eduardo Kac und Ed Bennett, durch die Augen eines Teleroboters, der Bilder und Töne von Chicago nach Graz sendet, tausende von Kilometern weit sehen und den Roboter durch die Tasten eines Telefons steuern.

> Implantat vs. Prothese

"Like in Heinlein's "Waldo" the dream is being there without leaving here."

Die Möglichkeit der Isolierung von Körperteilen und der Projektion von einzelnen Körperfunktionen in den Raum ruft Erich Fromms Befürchtungen ob der Verabschiedung des Menschlichen, die er im Negativ- Bild des kybernetischen Menschen zusammenfaßt, in Erinnerung. Dieses Menschenbild ist für Hans Moravec das anzustrebende, er macht es zur Grundlage seiner alchimistischen Utopie. Moravec prophezeit eine postbiologische Welt, die die Verdrängung des Menschen durch seine künstliche Nachkommenschaft vollzieht. Diese künstlichen Wesen sollen vor allem durch die Übertragung des unsterblichen menschlichen Geistes und der Persönlichkeit in ihre metallene Hülle zur Ablösung und autonomen Leben befähigt werden:

"Ihr Geist ist einfach aus dem Gehirn in eine Maschine überführt worden. In einem letzten unheimlich anmutenden Schritt nimmt der Chirurg seine Hand aus Ihrem Schädel. Ihr plötzlich sich selbst überlassener Körper verfällt in Krämpfe und stirbt. Einen Augenblick empfinden Sie nur Ruhe und Dunkelheit. Dann können Sie die wieder öffnen. Ihre Perspektive hat sich verändert. ... Ihr Geist ist jetzt an den glänzenden neuen Körper angeschlossen, dessen Form, Farbe und Material sie selbst ausgesucht haben. Ihre Metamorphose ist abgeschlossen."

Moravecs Fiktionen führen Idee und Praxis der Telepräsenz bis zum bitteren Ende des menschlichen Körpers aus. Aus einer vorübergehenden Projektion eines Menschen zur Steuerung eines Roboterkörpers, wird die Dauerlösung des Problems der Verderblichkeit des menschlichen Körpers. Moravecs #robotische Fiktion# ist eine umgekehrte Form von #Prothetik#. Der "wertvollste" Teil des Menschen, sein Gehirn soll isoliert und als organische Prothese für die künstliche Materie des Roboters genutzt werden, um eine unsterbliche Mensch- Maschine Synergetik zu erreichen. An dieser Stelle ist an Dreyfus These zu erinnern, der gestützt auf Polanyi und auf Merleau-Pontys Wahrnehmungslehre nachweist, daß sich keine Form von Intelligenz außerhalb eines Körper bilden oder weiterentwickeln kann. Eine Roboterutopie, wie die Hans Moravec sie formuliert, liegt zwar ein "Theatergedanken" (Onnen) zugrunde, aber sie hat das direkte Design des Menschen im Visier. Es scheint, als wolle er Günther Anders Negativvision vom Wunsch des Menschen endlich zu einem zum unverderblichen multiplen Produkt zu werden, mit seinem Robotikkonzept umsetzen. Moravec verspricht den Ausbruch des Menschen aus dem "Gefängnis des eigenen Körpers", ein Gedankengang, der nahtlos an einen Leib- Seele Dualismus- Theorem anschließt, mit dem entscheidenden Unterschied, daß in Moravecs Überlegungen menschliches Bewußtsein in unterschiedliche materielle Hüllen übertragen werden soll. Der Geist ist nicht mehr an einen bestimmten Körper gebunden, er kann seine diversen Doppelgänger bewohnen und austauschbare Hülle nach eigenen Vorstellungen gestaltet lassen. Das nomadische Bewußtsein erhält ein variables Zuhause:

"Wenn Sie sterben, wird dieses Programm in einem mechanischen Körper installiert, der unmerklich und nahtlos Ihr Leben und Ihre Pflichten übernimmt."

Moravecs imaginiert eine Unsterblichkeit des Menschen durch einen oder mehrere roboterartige Doppelgänger, in denen ein spezifisches menschliches Bewußtsein durch eine möglichst lückenlose Speicherung aller persönlichen Daten konserviert werden soll. Der Geist im Container wird auch als eine perfekte Maschine - neben der körperlichen - eine entscheidende Ebene nie erreichen, die des Selbstbewußtseins oder der Selbstreflexion. Außerdem fehlt den Automaten, - was schon bei Jean Paul im Titan nachzulesen ist-, die menschliche Fähigkeit zur Erinnerung und zur Entwicklung von Geschichte, Maschinenmenschen werden zeitlos bleiben, sie können sich nicht erinnern.

Moravecs Utopien bleiben unterhaltsame Science Fiction und entsprechen dem uralten Menschheitstraum den menschlichen Körper selbst zu gestalten und immer mehr Teile austauschen zu können, um schrittweise unsterblich zu werden. Auf seine Robotik paßt Blochs #These Alchimie münde in Mechanik#, technische Utopien und Alchemisten Träume fallen als allgemeinmenschliche Bedürfnisse zusammen.

Aufgrund der nüchternden Funktion im Produktionsalltag bilden sich in der Science Fiction- Figur des Roboters am deutlichsten die Konfliktsituationen in der Mensch- Maschine Relation, ab. #Dem als rein nützliches Objekt geltenden Roboter stehen überdimensional entwickelte Phantasmen gegenüber. Lacan bezeichnet eine Maschine wie den Roboter als Simulakrum des Lebendigen, als radikalste Verkörperung symbolischer Aktivität# ["We are the Robots". Kraftwerk]. Die "kulturelle Nobilitierung" der neuen Technik als symbolische Verarbeitung und ästhetische Auseinandersetzung mit dem künstlichen Menschen erfolgt beim Roboter nicht über eine spezielle Formgestaltung in der Produktion, sondern über die Verarbeitung im Bereich des Imaginären, was sich in Film und Literatur besonders deutlich niederschlägt. Im Film entfalten sich ästhetische Phantasien, die vielleicht in Zukunft für die Gestaltung von Robotern relevant werden können. Der Robotikforscher Tilden stellt fest, daß so etwas wie ein robotisches Ideal nur in diesen Bereichen existieren kann, nicht in einer auf Effizienz angelegten, für Industrie und Militär arbeitenden Robotik. Die Ängste vor der Maschinisierung menschlicher Tätigkeiten laufen parallel zu den unterschiedlichen industriellen Revolutionen. In der Blütezeit der Automaten im 18. Jh. rufen Automaten wie der "Schriftsteller" von Jacquet- Droz 1760 (...) oder die Automaten Vaucansons im Unterschied zum 20. Jh. nicht die Angst vor der Verdrängung durch die Maschine hervor, sondern die Angst vor der Tatsache, daß menschliche Tätigkeiten so einfach strukturiert sind, daß ein Mechanismus diese imitieren kann.

Die zeitgenössischen Filme schließen an eine lange Tradition der Beschäftigung mit der Schöpfung von Automaten und künstlichen Geschöpfen an. Automaten stehen viele Jahrhunderte lang in einer Vermittlungsfunktion zwischen Göttlichem und Menschlichem. In den ägyptischen Mythen sind die Automaten des Gottes Thoth Doppelgänger oder Vertreter der Toten. Der antike und mittelalterliche Glaube, daß die Automaten in einer engen Verbindung mit dem Göttlichen stehen, wird vom neuzeitlichen Glauben an den Mensch als Schöpfer abgelöst. Der Schöpfungsakt des Menschen, der eine Betätigung seines Wunsches nach technischer Omnipotenz ist, bleibt bis heute nicht frei von Skrupeln und Zweifeln. Automaten und Roboter drücken den Zwiespalt zwischen dem Stolz auf die menschliche Schöpfung und der Angst vor der Strafe, die der Anmaßung göttliches Werk geleistet zu haben auf dem Fuß folgt, symbolisieren. [-> Golem, Frankenstein, HAL.]

Die Mythen von künstlichen Menschen, Androiden und Automaten leben im 20. Jh. als gesellschaftliche Phantasmen in Filmen wie Blade Runner, Terminator, Star Wars, Westworld, Futureworld, Alien um nur einige der bekanntesten zu nennen, weiter.(...) Der künstlich erzeugte Doppelgänger erhält in jedem technologischen Zeitalter eine zeitgemäße allegorische Form und ist damit die direkte Personifizierung einer technischen Entwicklungsstufe. Gendolla charakterisiert den Entwicklungsprozeß von Spiel- und Demonstrationsapparaten zu Arbeitsautomaten folgendermaßen: #Der entscheidende Einschnitt ist die Einführung des mechanischen Prinzips in Mensch- und Tierkörper, bei dem die menschliche Gestalt des Automaten verloren geht, zu diesem Zeitpunkt wird das Bild des Automaten für die Literatur freigesetzt. Erst dann nimmt das mechanische Prinzip in diesem imaginären Bereich eine eigene Gestalt an.#

Im Film der Gegenwart rückt die mikroelektronisch hervorgerufene, anthropomorphe Mimesis des Automaten in den Mittelpunkt. Das zentrale Thema wird eine visuelle Angleichung von Mensch und Maschine, die bis zur Ununterscheidbarkeit von Androiden, Cyborgs und Mensch geht. #Das Phantasma der Ununterscheidbarkeit weist auf die dialektische Spannung hin, die bei einer immer weitergehenden Annäherung zwischen der Robotisierung und Verkünstlichung des posthumanen menschlichen Körpers (Michael Jackson, Schönheitschirurgie) und der schrittweisen Verdrängung des Körpers aus der Arbeitswelt der neuen Technologien zugunsten von mechanischen Roboterprothesen, entsteht. Dieser bedrohlich wirkende Assimilationszustand von Mensch und Maschine kann auf nur der imaginären Ebene, durch die Zerstörung des Roboters wie es in den vielen Science Fiction Filmen passiert, aufgelöst werden. Die anthropomorphe Gestalt des Roboters muß im Verlauf der Geschichten in Film und Literatur aufgebrochen werden, um als bloße Hülle, die nur eine scheinbar menschliche Form repräsentiert, entlarvt zu werden. Der oder die Androide vollzieht diesen Blick ins eigene Innere, um zu erkennen, daß das Selbst ein mechanisches Gehäuse ist, oft sogar selbst. Mit dem Aufzeigen der Mechanik, dem Funktionsprinzips des Roboterkörpers, soll der Unterschied zum genuin menschlichen Körper sichtbar gemacht werden. Die menschliche Überlegenheit wird auf einer weiteren Ebene verdeutlicht: z.B. im zweiten Teil des "Terminator", wo die mechanische Menschprothese eigentlich technisch überholt ist, sich aber gerade durch die vom Menschen erlernten Fähigkeiten gegenüber dem digitalisierten Technikwunder durchsetzen kann. Dieses repräsentiert #die nächste Robotergeneration, einen ständig metamorphisierenden Roboterkörper aus Wetware, der jede anthropomorphe Form annehmen kann, indem er das Aussehen anderer Menschen seiner veränderbaren Materie überstülpt wie beim Shading im CAD.# P? Die menschlichen Ängste vor der sturen Präzision, der von ihnen erzeugten Automaten werden durch die Kontrastierung mit der Überlegenheit des genuin Menschlichen, abgeschwächt.

Ein weiterer Grund für die zwangsläufige Zerstörung des Automaten ist gegeben, wenn er außerhalb der menschlichen Kontrolle steht. Die Zerstörung dient der Wiederherstellung der infragegestellten menschlichen Macht über die Automaten. Baudrillard bezeichnet den Roboter als das Symbol für die abstrakte Macht und die Bändigung aggressiver Neigungen des Menschen. Im Roboter stehe der Mensch seinen ureigensten Kräften gegenüber, seinem dienenden Doppelgänger im Besitz der eigenen, ihm verliehenen Kraft. Dieser Doppelgänger kann aber nicht für sein Verhalten zur Verantwortung gezogen werden, z.B. für ein plötzliches, vom Programm des Menschen abweichendes Arbeiten des Automaten, was eine Vorstufe der menschlichen Angst vor der Ablösung durch die Maschine darstellt. Das angsteinflößende Kriterium an den Robotern in Film und Produktion sind nicht die anthropomorphen Züge, sondern die Befürchtung die Roboter könnten sich vom Menschen emanzipieren. Im Alltag erfolgt auf sich gegenseitig besprühende Spritzroboter oder Roboter die Windschutzscheiben zertrümmern anstatt sie in Autos einzusetzen, nicht notwendigweise deren Zerstörung, aber diese Vorgänge steigern die #Angst vor einer sich verselbständigenden Maschine und ihrer programmierten Kraft#. Diese Bedenken gegen eine stur programmierte Maschine wird wahrscheinlich auch in Zukunft eine flächendeckende Einführung von speziellen Robotern im Haushalt verhindern, wie z.B. den 1993 in Japan entwickelten "Basu Robo" einem computergesteuerter Duschroboter. Wer vertraut sich gerne einer mechanischen Waschanlage für Menschen, die auf Knopfdruck verschiedene Waschgänge in Gang setzt, an. Bei derartigen Anwendungen von Roboter im Haushalt werden Phantasien des Nichtfunktionierens gleich mitgeliefert.

Baudrillard behauptet, daß gerade die Fehlfunktionen des Automaten dem Menschen eine gewisse Befriedigung verschaffen. Da z.B. in der Automaten- Literatur den Automaten als perfekte Kopie der unvollkommenen menschlichen Originale präsentiert , wird die "Tücke des Objektes" (Sturm) als das erleichternde Durchbrechen automatischer Perfektion aufgefaßt.

Der Roboter spielt im Unbewußten nicht wegen seiner menschenähnlichen, funktionellen Effizienz eine bedeutende Rolle, sondern weil er kein echter Doppelgänger ist und trotz einer menschlichen Gestalt immer eindeutig ein Objekt bleibt und infolgedessen ein dem Menschen untergeordneter Sklave ist. Entscheidend ist also das eindeutige Subjekt- Objekt- Verhältnis, die in Bezeichnungen wie Master Slave Manipulatoren noch einmal bekräftigt werden. Der Mensch ist immer der Master, der Roboter sein Diener, der alle dessen Bewegung spiegelbildlich ausführen muß. #[Woody Allen spielt in seinem Film --- einen Zeitreisenden (?), der, um seiner Verfolgung zu entgehen, einen Androiden imitiert: Die Spiegelung der Master Slave-Spiegelung.]#

Der Roboter kann sich aber nur kurzzeitig der Kontrolle des Menschen entziehen, der Verarbeitung im Imaginären entgeht er jedoch nicht. Film und Literatur bieten Raum für Phantasien, was passiert, wenn dieses Verhältnis ins Ungleichgewicht gerät. Wenn der Mensch zur Maschine oder die Maschine zu menschlich wird, muß die Maschine zerstört werden, damit der Mensch seine Macht, dem "Leben" des Automaten ein Ende zu setzen, demonstrieren kann.

Das Thema der Aufspaltung der Person in innere Kräfte und äußerliche Objekte, die visuell besetzt und angeeignet werden können, die schon im 18. Jh. die gesellschaftliche Grundlage der Angleichung von Mensch und Maschine in der Automaten Literatur war, hat auch heute nichts an Aktualität verloren. Wie die künstlichen Figuren in der Literatur des 18. Jh., dient heute ein ganzes Arsenal unterschiedlichster Roboter als Spiegel, der das Innere einer Gesellschaft zum Vorschein bringen soll. Das Innere benötigt die künstliche Figuren um zu erscheinen, es kann nur sichtbar an äußersten Gegensatz werden, an einer Maschine ohne Seele. #Der grundlegende Unterschied ist, daß der Automat im 18. Jh. von der Person des Konstrukteurs getrennt bleibt, er bildet eine Gestalt des Selbst, die nach außen gesetzt worden ist. Mit der Telepräsenz wird die notwendige psychische Barriere aufgebrochen, der Konstrukteur kann virtuell in seinen Roboter schlüpfen, die Problemlösung durch die Zerstörung des abgespaltenen Konfliktpotentials wird bei der Vermischung mit künstlicher Materie nicht mehr möglich sein. Welche Folgen dies für das menschliche Selbstbild und die klare vorgegebene Trennung zwischen toter und belebter Materie hat, bleibt abzuwarten:

"While our sensor feedback extends well beyond our skin, we have not expanded our body- image accordingly... Indeed, in the simulation and extension of our nervous system, complet with technological protheses for vision, hearing, touch and now even smell, we personally figure as nodal entities, travelling back and forth on electronic current patterns which are co- extensive of our biological neurological make- up. How do we account for this in psychological terms? What does it do to my self- image?" [Derrick de Kerckhove?]

Technik kann nur deshalb in Form eines Roboters verlebendigt werden, weil sie schon immer eine Extension des Menschen darstellt, die nichts dem Menschen Fremdes ist, sondern ein "incognito der Menschenfunktionen selbst"(Bolz). #Robotisierung ist also grundsätzlich nichts dem Menschen Entgegengesetztes, da der Automat eine bestimmte Seite des Menschen repräsentiert.# [Was sich mit dem Cyborg, dem sich selbststeuernden Artefakt aendert (?). Oder ist ein Cyborg nur die potenzierte Form des Roboters, indem er menschenaehnlicher aber auch supermenschlicher (-> Terminator II) wird? Der Cyborg repraesentiert emanzipierte Technik, emanzipiert von der Determiniertheit vom Mensch-Ebenbild. Ein noch zu erfindender reeller nichtanthromorpher Cyborg waere das reelle "dem Menschen Fremde". F?] Unter der Voraussetzung, daß Roboter immer nur das übernehmen können, was an sich schon eine geregelte monotone robotische Struktur hat, besteht vielleicht die Hoffnung, daß die Imitation von mechanischen Funktionen durch einen Roboter, den Menschen für kreative Arbeit und die Gestaltung seiner Lebenswelt freistellt. Dies würde allerdings zu der Frage führen, was könnten das für kreative Arbeiten sein und was soll der Mensch mit der zusätzlichen freigestellten Zeit anfangen?. Wahrscheinlich zerfällt er in der Freizeit zum von Günther Anders prognostizierten "Divisum", der aufgrund einer Art von "horror vacui" versucht die freie Zeit mittels vieler unterschiedlicher Medienprothesen, die jeweils ein Sinnesorgan bedienen, totzuschlagen. Der menschliche Traum von der Befreiung von der Last der Arbeit generell oder von der Arbeit als Herrschaftsinstrument (Coy) könnte so zur Herrschaft eines kybernetischen Menschen führen, dessen ganzes Streben der Herstellung von menschenähnlichen Robotern gilt, der sich auch Moravecs Utopie unterordnen läßt. Diese dem menschlichen Hirn entsprungene Maschine könnte vielleicht eine angenehmere Präsenz darstellen, mit der der Mensch lieber kommunziert als mit einem menschlichen Gegenüber. Diese Tendenz wird von vielen Menschen begrüßt, wie man am Beispiel PC- und Cybersex ablesen kann. Es besteht der Wunsch nach maschinisiertem Sex oder Robotisierung der Sexualität mit Wesen, die wie auf Knopfdruck gehorchen und keine lästigen Ansprüche stellen und sich so ein Gefühl von Sicherheit einstellt. Die duale Telepräsenz mit Sexualprothese verheißt "perfekten" Sex aufgrund der angenommenen Präzision der Maschine, die abstrakt gedachte McLuhansche Taktilität der Medien wird nun konkret umgesetzt.

Wie könnte das am technologischen Horizont aufscheinende Bild des zukünftigen Menschen aussehen? Das menschliche Selbstbild wird wesentlichen Veränderungen unterworfen sein, #wenn die Kombination von Biologie und Technologie direkt am oder im Körper möglich wird, wenn die den Menschen ihn als Subjekt konstituierende Trennung von Subjekt- und Objekt Ebene entfällt#. Die Telepräsenz und die Nanotechnologie repräsentieren das gleichzeitige Heranrücken und Eindringen und die Entfernung vom Körper und als die Fortsetzung der Ausweitung und Betäubung des ZNS durch die Medien. Kann es mit derartigen technischen Prothesen, die die gleichzeitige Spaltung und Vermischung von Selbst und Roboter verursachen, noch eine indviduelle Selbstdarstellung des Menschen geben oder läuft es darauf hinaus den Menschen über den Roboter selbst zu standardisieren? Eine Inszenierung des Menschen über Gegenstände könnte entfallen, wenn die gegenständliche Welt in den Körper eindringt, und das Individuum sich untrennbar mit seinen Prothesen vermischt. Der menschliche Körper mutiert dann zum Wirt für die technologische Parasiten. Die Prothesen inszenieren ein Selbstbild des Menschen. Vielleicht konstituiert die Anzahl und die Anordnung der Prothesen aber auch eine neue Form von Individualität. Der Körper absorbiert somit die höchste Stufe der Technologie, #die totale Mensch- Maschine Synergetik ist mit dem Eindringen des Mikroroboters in den Körper vollendet#. [Mit dem Eindringen des Mikroroboters in den Körper sei die totale Mensch-Maschine Synergetik vollendet - wirft das grundierende, sexuellistische, synthesischtische Motiv dieser Dialektik auf, die einen Dualismus einheitlichend 'vollenden' will, anstatt ihn offen zu halten.]

Das Ding als Implantat des menschlichen Körper meldet einen Widerspruch gegen Theorien an, die eine Universalierung des Design in der Lebenswelt postulieren. Der implementierbare Gegenstand führt weg von einem Design der Umwelten, zu einem Design des planbaren Körpers, der für gegebene Umwelten konstruiert werden kann, während das konventionelle Design der Dinge unsichtbar wird. Robotisierung kann also nicht im Zusammenhang mit der Frage des Designs von Gegenständen diskutiert werden, sondern nur #im Rahmen einer neuen Designrichtung, die sich mit der direkten Gestaltung von biologischer menschlicher Hardware, im Gegensatz zur Neugestaltung des Software in der Gentechnologie, beschäftigt#.

Obwohl die menschliche Form für die Robotik nicht mehr der einzige Maßstab ist, bleibt der Mensch trotz aller Tücken seiner Prothesen, weiterhin der Prothesengott im Freudschen Sinne: Er allein entwickelt und beherrscht den Roboter, der vorerst eine "Maschine des Ich ohne Ichgefühl" (Kommerell) bleiben wird.

Literatur:

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Asimov, Isaac/Frenkel, Karen A.: Roboter. Maschinen wie Menschen, Bergisch Gladbach 1987

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Baudrillard, Jean: Das System der Dinge. Frankfurt 1991

Baudrillard, Jean: Videowelt und fraktales Subjekt. In: In: Barck/Gente/Paris/Richter (Hrsg.): Aisthesis. Leipzig 1991, S. 252- 264

Berr, Marie- Anne: Technik und Körper. Berlin 1990

Coy, Wolfgang: METH - EMETH. Abenteuer der künstlichen Intelligenz. In: Kursbuch 75, März 1984, 1- 11

Drexler, Eric In: Karl Gerber/Peter Weibel (Hrsg.): Die Welt von innen, Endo und Nano. Ars Electronica Linz 1992, S. 74 - 80

Dreyfus, Hubert L.: Die Grenzen künstlicher Intelligenz: was Computer nicht können. Königstein 1985

Flusser, Vilem: Der Hebel schlägt zurück. In: F. Wurm (Hrsg.): Der Stand der Dinge. Göttingen 1993

Foucault, Michel: Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses. Frankfurt 1978

Freud, Sigmund: Das Unbehagen in der Kultur 63- 129; 18. Auflage Frankfurt Hamburg 1970 (erstveröff. 1930)

Garfinkel, Simson: Chemistry says it can't happen. In: Karl Gerber/Peter Weibel (Hrsg.): Die Welt von innen, Endo und Nano. Ars Electronica Linz 1992, S. 70- 74

Dieter Gellert/Günther Wahl: Industrieroboter in Theorie und Praxis, München 1985

Gendolla, Peter: Die lebenden Maschinen. Zur Geschichte der Maschinenmenschen bei Jean Paul, E.T.A. Hoffmann und Villiers de l'Isle Adam. Marburg/Lahn 1980

Günther, Gotthard: Beiträge zur Grundlegung einer operationsfähigen Dialektik. Hamburg Band 1 1976, Band 2 1979, Band 3 1980

Helms, Hans G. Zu einigen gesellschaftlichen Veränderungen durch die mikroelektronischen Technologien. In: Hermann Sturm: Verzeichnungen Essen 1989, S. 165- 187

Kapp, Ernst: Grundlinien einer Philosophie der Technik. Braunschweig 1877

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Zec, Peter: Die Chance der 90er jetzt wird's ernst. Design Report Nr.1 1993 " (Birgit Richard. Robot Wars. "Robotergestaltungen und -phantasmen zwischen "artificial intelligence" und "artificial life" ". in: Kunstforum International, Mai-Juli 1995, Heft 130, S. 190- 211 . http://www.uni-frankfurt.de/fb09/kunstpaed/indexweb/publikationen/robotwars5.htm [10.10.2001])


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