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Do., 3. April 3000

#markiert#

Rebellion gegen die Logik + Dynamismus der Determinanten im tabulatorischen Modell

[ ] = Anmerkungen, Zusaetze; # # = Markierungen M.S.


Weil er 'keine Zeit' fuer Logik hat, erschiesst Lemmy Caution in Alphaville Widersprueche. (-> Jean-Luc Godard. _Alphaville_).

Michel Serres. "Einleitung". in: ders. _Hermes I. - Komunikation_. Berlin: Merve, 1991 (1968). S. 9-23:

"Stellen wir uns ein _netzfoermiges_ Diagramm vor, das in einen Darstellungsraum eingezeichnet ist. Zu einem bestimmten Zeitpunkt (wie wir noch sehen werden, repraesentiert das Netz den je spezifischen Zustand einer veraenderlichen Situation) besteht es aus einer Mehrzahl von Punkten (Gipfeln), die untereinander durch eine Mehrzahl von Verzweigungen (Wegen) verbunden sind. #Jeder Punkt repraesentiert eine These oder ein eindeutig definierbares Element einer wohlbestimmmten empirischen Menge. Jeder Weg steht fuer eine Verbindung oder Beziehung zwischen zwei oder mehreren Thesen oder fuer einen Determinationsflusz#[1] zwischen zwei oder mehreren Elementen dieser empirischen Situation. Dabei ist _per definitionem_ kein Punkt gegenueber einem anderen privilegiert, und jeder Punkt hat seine eigene Kraft [...], seinen eigenne Wirkungsbereich oder sein eigenes Determinationsvermoegen.

[1] Wenn wir von Determination spechen, so verstehen wir darunter ganz allgemein Relation oder Wirkung; dabei kann es sich um eine Analogie, eine Deduktion, eine Einwirkung, einen Gegensatz, eine Reaktion usw. handeln.

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[...] Die Gipfel koennen als Schnittpunkte zweier oder mehrerer Wege angesehen werden (eine These kann sich als Schnittpunkt mehrerer Relationen konstituieren; [...]); entsprechend koennen wir einen Weg als eine Determination begreifen, die dadurch zustande kommt, dasz zwei vorgegebene Gipfel in ein Verhaeltnis zueinander gebracht werden (zwei Thesen werden zueinander in Beziehung gesetzt, zwischen zwei Situationen wird eine Wechselbeziehung hergestellt usw.). [...] Ein regelmaesziges Netzwerk mit identischen Gipfelpunkten und konvergierenden, parallelen oder senkrecht zueinanderverlaufenden, aequivalenten Wegen waere ein Sonderfall dieses "ungleichseitigen" Netzes.[2] Ebensogut koennte man auch von einem regelmaeszigen Netz ausgehen; dann braeuchte man lediglich die Gipfel und Wege zu differenzieren und variieren zu lassen, bis sich das hier vorgeschlagene Modell ergibt. Andererseits gehen wir davon aus, dasz es sich um die formale Darstellung einer veraenderlichen Situation handelt, also einer Situation, die sich im Laufe der Zeitl global veraendert; zum Beispiel wechselt ein Punkt oder Gipfel des Netzes ploetzlich seinen Ort (wie eine Figur mit einer bestimmten Bedeutung - Koenig, Dame, laeufer usw. - auf dem Schachbrett), und das gesamte Netz verwandelt sich in ein neues Netz, das sich vom

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[2]
serresnetz.gif
[Textfragment und Abbildung S. 10 aus Michel Serres. _Hermes I. - Komunikation_. Berlin: Merve, 1991 (1968).]

alten durch die Lage der Punkte zueinander wie auch die Mannigfaltigkeit der Wege unterscheidet. [...] [Im Modell sind Thesen "Situationselemente" bzw. "Gipfelpunkte" des Netzes. Thesen sind veraenderbare, mobile Bauteile und sorgen fuer eine hochdynamische Metasituation:] 1. Zwischen zwei Thesen oder zwei Situationselementen, zwei Gipfelpunkten, gibt es nach Auffassung der Dialektik einen und nur einen Weg, auf dem man vom einen zum anderen gelangen kann; dieser Weg ist "logisch" notwendig und verlaeft durch einen ganz bestimmten Punkt, den der Antithese oder der entgegengesetzten Situation. In dieser Hinsicht ist die dialektische Situation einlinig [...]. Das oben beschriebene Modell ist dagegen durch die Vielfalt und Komplexitaet der vermittelnden Wege charakterisiert. Hier gibt es [...] zwar nicht beliebig viele Wege [...], wohl aber eine grosze Zahl von Wegen [...]. #Es liegt auf der Hand, dasz der Weg durch beliebig viele und im Grenzfall durch saemtliche Punkte fuehren kann."#

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Serres betont die Vielfaeltigkeit und Flexibilitaet der moeglichen Vermittlungen und antizipiert evtl. eine wichtige Determinante (sic) der Netzwerktheorie/Netzwerkanalyse, naemlich die der "Annaeherung an reale Situationen". Zum zweiten kommt mit dem Modell nach Serres ein Wechsel der Dimension in Frage: von der zweidimensionalen Linearitaet der Logik zur raeumlichen "Tabularitaet": "Wir haben es nicht mehr nur mit einem Weg zu tun, sondern mit einer bestimmten Zahl von Wegen oder einer Wahrscheinlichkeitsverteilung." Er spricht von einer "Mehrdeutigkeit der Relationstypen", die im Netzmodell moegloch wird und spricht sich gegen die Dialektik aus These - Gegenthese - Aufhebung als Spezialfall einer Determinationsreihe innerhalb des Netzes aus. 'Letztlich' (bzw. in der Betonung einer Lesart) laeuft es auf eine Art kyberentisches »Denkmodell des Modells vom Denken« hinaus, das auch unvorhergesehene Determinationsfolgen abbilden kann': "Zwei Gipfelpunkte koennen in der Tat untereinander in einem Verhaeltnis wechselseitiger Verursachung, wechselseitiger Einwirkung, aequivalenter Wirkung und Gegenwirkung, ja sogar in einem Rueckkopplungsverhaeltnis stehen (dem Feedback der Kybernetiker)."

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Do., 2. Januar 3000 - hypertextphantasma


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Last modified: Mo., 10.05.2004 15:22